Eure Homepage steht und die Facebook Gruppe ist aktiv. Die User finden sich ein, die Beiträge werden geteilt und eine rege Diskussion über das Thema FTTH und eure Bürgerinitiative findet statt. Und außerhalb des Internets? Da ist es ruhig… oftmals viel zu ruhig!
Nerds, Tekkis und technikaffine Bürger finden praktisch automatisch ihren Weg ins Netz. Viele leben dort regelrecht mit einer eigenen Netzkultur. Diese Zielgruppe braucht in der Regel nicht von den Vorteilen der Glasfaser überzeugt werden. Ihnen ist die Bedeutung und die Vorteile eines FTTH-Anschlusses bekannt. Sie sehen darin zweifelsohne die Zukunft und unterstützen die Technik. Als positiver Nebeneffekt ist diese Zielgruppe auch bereit, für mehr Leistung, etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Diskussionen über einen möglichen Mehrpreis von zwei Euro pro Monat finden dort nicht statt.
Die Glasfaser wird hier als Chance gesehen und die Möglichkeiten der enormen Bandbreite haben die “Power-User” regelrecht vor Augen. Der symmetrische Anschluss bietet mit seinen hohen Upload-Raten ganz neue Möglichkeiten. Bei dieser aufgeklärten Zielgruppe ist wenig Überzeugungsarbeit notwendig. Und selbst wenn der FTTH-Anschluss nur als “dicke Leitung zum zocken” gesehen wird – bei dieser Klientel ist das Thema ein Selbstläufer. Aus Sicht einer Bürgerinitiative kann hier schon recht frühzeitig ein Haken dran gemacht werden.
Bei “Otto-Normal-User” stellt sich das Verhältnis zum Internetanschluss ganz anders dar – für ihn muss dieser zunächst mal stabil funktionieren. Das grobe Verständnis für die Technik ist über die Jahre immer weiter gewachsen. Die Eigenschaften des aktuellen Anschlusses sind bekannt und die Kostenstruktur des eigenen Internettarifs kann centgenau vorgerechnet werden.
Allerdings muss da schon was wirklich Spannendes angeboten werden, um von der bestehenden Technik umzuschwenken. Schließlich hat man Jahre gebraucht, um sich eine stabile Umgebung zu schaffen. Und eine Sache ist glasklar – bei eventuellen Mehrkosten hört der Spaß grundsätzlich auf.
Und dann gibt es noch die Gruppe der Technik-Laien.
E-Mail und surfen funktionieren? Dann ist alles gut! Bloß die Finger weg von der Technik – nix machen! Hat eh schon lange genug gedauert bis es endlich lief. Und Freunde, Nachbarn, Kinder oder Enkel standen und stehen als ehrenamtliche Admins bereit, falls das Internet mal wieder spinnt.
Ob 6, 16 oder 50 MBit/s ist unerheblich. “Symmetrische Band-Was? – kenn ich nicht, brauch ich nicht.”
Und selbst nach langer Überzeugungsarbeit ist man nicht auf der sicheren Seite. Spätestens bei der Frage, ob das Schnurlostelefon am neuen Anschluss noch funktioniert, weiß man, dass noch ein langer Abend vor einem liegt.
Die Power-User alleine reichen nicht, für eine ausreichend große Gruppe an potentiellen Kunden. Deshalb ist es unumgänglich auch die Gruppe der Normal-User mitzunehmen.
Um diese Gruppe zu erreichen, ist der persönliche Kontakt und die direkte Ansprache die beste Vorgehensweise. In Flyern, Bürgersprechstunden und intensiven Gesprächen daheim werden die Bürger persönlich angesprochen und thematisch abgeholt.
Vor Ort präsent
Eure Bürgerinitiative ist während der gesamten Projektlaufzeit der Ansprechpartner für das FTTH-Projekt in eurer Gemeinde. Es gehört dazu, auf der Straße angesprochen zu werden oder beim Metzger noch mal kurz die Standard-Netzkonfiguration zu erklären. Die meisten Bürger sind froh, bei diesem Thema lokale Akteure zu haben.
Die Aufklärung der Bürger über die Notwendigkeit des Breitbandausbaus und speziell die Chancen der Glasfasertechnologie ist essentiell für den Erfolg von Glasfaser-Projekten.
Das Verständnis für die Technologie ist dabei von grundlegender Bedeutung. Nur aufgeklärte Bürger können die Leistungsfähigkeit und die Zukunftssicherheit der unterschiedlichen Technologien eigenverantwortlich differenzieren. Und nur so ist ein wirklicher Vergleich der verschiedenen Anbieter und deren Produkte überhaupt erst möglich.
In diesem Kontext das Thema Nummer 1 – und zwar mit großem Abstand:
“Die Telekom macht doch auch Glasfaser!” oder anders formuliert “Vectoring vs. FTTH”
Sehr vielen Bürgern ist auch 2017 der Unterschied zwischen den Technologien unklar. (Noch für dieses Jahr ist ein Grundlagenartikel zum Thema “Vectoring vs. FTTH” hier auf FTTH.blog geplant. Der Artikel wird dann hier verlinkt.)
Dabei ist der Unterschied in den Technologien so gravierend wie die Unterscheidung zwischen Verbrennungsmotor und E-Motor bei den Fahrzeugantrieben. Um bei der Analogie zu bleiben: Nur weil der Anlasser elektrisch funktioniert und eine Batterie vorhanden ist, ist das noch lange kein E-Auto.
Wie schon erwähnt, ist der persönliche Kontakt und die persönliche Ansprache der Bürger sehr wichtig. Dabei bieten sich die folgenden Möglichkeiten an:
Bürgersprechstunden
Für den direkten und persönlichen Kontakt sind Bürgersprechstunden das Mittel der Wahl. Wichtigste Aufgabe der Bürgerinitiative: Zuhören und Fragen beantworten. Falls dies nicht sofort möglich ist: Frage mitnehmen, für die Bürger klären und eine passende Antwort liefern. Ihr(!) seid die Ansprechpartner für das Thema. Lasst es euch nicht aus der Hand nehmen!
Bei Glasfaser für Kerken haben wir während der Projektlaufzeit wöchentlich Bürgersprechstunden angeboten und zwischen den beiden großen Ortsteilen gewechselt. Als Räumlichkeit haben wir jeweils bekannte Gaststätten vor Ort gewählt.
Im persönlichen Gespräch lassen sich Zweifel zerstreuen und Vertrauen aufbauen. Bürger die hier von der Glasfaser überzeugt werden, werden anschließend oftmals selbst zu Multiplikatoren.
Infostände / Beteiligung an anderen Aktionen
Auch wenn man während der Projektphase denkt, die Welt dreht sich ausschließlich um FTTH, so gibt es auch andere Themen. Gute Gelegenheiten sind lokale Events innerhalb der Gemeinde.
Diverse Veranstaltungen wie Sommer- und Sportfeste oder Veranstaltungen der lokalen Werberinge sind gute Gelegenheiten sich als Bürgerinitiative zu präsentieren. Auch hier steht das persönliche Gespräch mit dem Bürger im Vordergrund.
Hier kommt auch wieder die lokale Prominenz aus Teil 2 ins Spiel. Diese “dorfbekannten” Bürger werden auf der Straße erkannt und wirken wie ein Magnet. Dadurch ergibt sich recht schnell eine lebhafte Diskussion am Infostand und weitere Bürger werden davon angezogen.
Bei diesen Veranstaltungen ist das Wetter ein entscheidender Faktor. Auch wenn ihr auf das Wetter selbst keinen Einfluss habt, zeigt die Erfahrung aus den verschiedenen BIs eindeutig folgenden Effekt: Im Sommer ist es deutlich einfacher mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Bei einem kühlen Getränk in sommerlicher Laune ist die Gesprächsatmosphäre lockerer als im kalten und verregneten Herbst bzw. Winter. Die Bürger haben weniger Zeit und sind auch nicht “in Stimmung”. Ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Spezielle Themenabende
Ihr könnt auch Veranstaltungen für spezielle Zielgruppe anbieten: Bei Glasfaser für Kerken hatten wir zusammen mit der Deutschen Glasfaser einen eigenen Infoabend für Gewerbetreibende initiiert. Dort drehte es sich dann ausschließlich um die Bedürfnisse der Geschäftskunden.
Eine weitere Zielgruppe, die sich anbietet, sind die Vermieter. Hier geht es teilweise auch um rechtliche Fragen zum Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Wer darf was oder wer kann was ablehnen? Ihr seid natürlich in der Regel keine Juristen, aber viele Fragestellungen lassen sich schon mit dem gesunden Sachverstand zumindest im Grundsatz klären. Zur Not: Frage mitnehmen und hinterher klären.
Artikel in der lokalen Presse
Die Presse ist für euer Projekt sehr wichtig. Das Medium Zeitung, egal ob Tageszeitung oder lokales Anzeigenblatt, erreicht auch heutzutage noch immer sehr viele Menschen. Eine positive Berichterstattung ist für eurer Projekt sehr hilfreich.
Idealerweise baut ihr möglichst frühzeitig einen Kontakt zur Presse auf. Unsere Erfahrung zeigt, dass das Thema Breitbandausbau dort bereits angekommen ist und man gerne bereit ist, darüber zu berichten. Vielleicht hat sogar ein BI-Mitglied bereits Erfahrung im Verfassen von Pressemitteilungen und kann diese Aufgabe übernehmen.
Positiver Nebeneffekt: Die Artikel werden oftmals auch auf den Webseiten oder den Social Media Kanälen der Zeitung veröffentlicht. Diese Posts teilt ihr dann natürlich auf eurer Web- und Facebook-Seite. So werden auch die Power-User indirekt über das Medium Zeitung erreicht.
14.07.2016 Rheinische Post – Bürgerinitiative für Glasfaser in Kerken
24.09.2016 Rheinische Post – Kampf dem Kupfer in Kerken
Bericht im Fernsehen
Die “Königsklasse” sind Berichterstattungen im TV. Sehr wirksam und eindrucksvoll für die Bürger – zudem müssen sie nichts unternehmen und können das Thema bequem vom Sofa aus verfolgen.
Und es ist gar nicht so schwer wie man denkt.
Bei Glasfaser für Kerken sind wir auf die Lokalredaktion Duisburg der “Aktuellen Stunde” des WDR zugegangen. Unsere Hartnäckigkeit wurde belohnt und mitten in der Projektphase stand dann das Kamerateam bei uns vor Ort.
Nebenbei eine wirklich spannende Erfahrung, wie viel Arbeit und Vorbereitung eine solche – recht kurze – Berichterstattung trotzdem erfordert. Und welche Mühen das Team auf sich nimmt, für nur wenige Momente Film. Wir sind dafür am heißesten Tag des Jahres 2016 auf den Kirchturm gestiegen, um einige schöne Panoramaaufnahmen zu machen. Das WDR-Team “durfte” zusätzlich noch zwei Kameras samt Tonequipment mit hochschleppen. Kein Spaß bei 35 Grad Außentemperatur und gefühlten 50 Grad im Kirchturm.
Die Resonanz auf den Bericht war sehr erfolgreich. Das Thema Glasfaser war wieder in aller Munde. Natürlich haben wir den Bericht sowohl über die Homepage, als auch über die Facebook-Gruppe angekündigt und den Sendebeitrag später geteilt.
Flyer
Flyer sind ein weiteres sehr gutes Mittel um die Bürger offline zu erreichen. Wichtig dabei ist der thematisch lokale Bezug. Die Bürger müssen sich direkt angesprochen fühlen und den Bezug zur Gemeinde erkennen.
Ein gut gemachter Flyer eurer BI ist besser als jede Werbung des FTTH-Anbieters. Denn die Bürger vertrauen den lokalen Akteuren.
Mit dem “Warum”-Flyer hatten wir bei Glasfaser für Kerken sehr großen Erfolg. Auf den ersten Blick war der Bezug zum Thema gar nicht zu erkennen. Da die Bürger von der Glasfaser-Werbung gesättigt waren, suchten wir einen komplett anderen Aufmacher. Auf den Innenseiten kamen dann lokale Persönlichkeiten zu Wort. Jeder von ihnen gab ein Statement pro FTTH ab – inklusive des Bürgermeisters.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass über die Flyer auch die lokale Politik zu Wort kommt. Idealerweise verfassen alle lokalen Parteien / Fraktionen eine gemeinsame Erklärung und machen sich zusammen stark für das Projekt Glasfaser. Ein wichtiges Signal an die Bürger, was auch so verstanden wird. Zur Einbindung der Lokalpolitik wird hier auf FTTH.blog noch ein separater Artikel erscheinen.
Auf den Kosten für die Flyer muss eure BI in der Regel nicht sitzen bleiben. Für den FTTH-Anbieter ist das schlussendlich nicht mehr als Werbung. Oder lokale Sponsoren bzw. Firmen springen ein. Zudem bleiben die Kosten in der Regel im überschaubaren Rahmen.
Door-2-Door
Ein Klassiker mit neudeutscher Bezeichnung. “Klinkenputzen” und von “Tür zu Tür” gehen. Englisch “door-to-door”, abgekürzt D2D-Marketing. Im persönlichen Gespräch mit dem Bürger daheim lassen sich im Idealfall die letzten Zweifel ausräumen.
Entweder geht die BI geschlossen auf Zug durch die Gemeinde oder ein jedes Mitglied nimmt sich seine jeweilige Nachbarschaft vor.
D2D-Marketing ist fester Bestandteil der Telekommunikationsanbieter. Unabhängig von den Bürgerinitiativen gehen auch Mitarbeiter der jeweiligen Anbieter auf Werbetour. Schlecht umgesetzt bleibt das Image der “Drückerkolonnen” haften.
Aber auch die Konkurrenz wird mit Sicherheit eine eigene Marketing-Truppe zu den Bürgern senden. Eine Erfahrung zieht sich durch alle uns bekannten FTTH-Projekte: Telekommunikation ist ein knallhartes Geschäft.
Insbesondere die “harten Drückerkolonnen” nehmen es leider nicht ganz so genau mit der Wahrheit. Gerne wird dazu die technische Unwissenheit der Bürger ausnutzt. Der Klassiker: Vectoring ist auch Glasfaser.
Der Bürger müsse eigentlich gar nix tun: kein Loch ins Haus, kein Dreck, keine neue Technik – alles wie bisher, nur schneller. Denn der aktuelle Anbieter bietet jetzt auch höhere Datenraten. Bitte nur kurz hier für den Vertrag unterschrieben und schon erledigt. Wer sich nicht informiert hat und jetzt plötzlich statt einem MBit/s bis zu(!) 50 MBit/s bekommen kann, könnte schwach werden.
D2D-Aktionen sind sehr zeitintensiv, da jeder Bürger individuell kontaktiert wird. Dafür ist diese Vorgehensweise oftmals auch sehr erfolgreich und kann die entscheidenden Prozentpünktchen bringen. Der Erfolg ist allerdings sehr stark von den lokalen Gegebenheiten abhängig.
Bei Glasfaser für Kerken hat jedes BI-Mitglied nur seine eigene Nachbarschaft besucht. Den Großteil der Gemeinde haben wir dem Marketing der Deutschen Glasfaser überlassen. In der Nachbargemeinde Wachtendonk waren die Kollegen der dortigen BI sehr erfolgreich mit eigenen D2D-Maßnahmen durch die gesamte Gemeinde.
Fazit
Einen Großteil der Bürger erreicht man bereits online über die wichtigen Kanäle Facebook und Homepage. Aber die Gruppe der Power-User reicht für den Projekterfolg nicht aus. Die entscheidenden Prozente finden sich außerhalb des Internets.
Der persönliche Kontakt zu den Bürger ist essentiell. Viele Fragen müssen im persönlichen Gespräch geklärt werden, die Bedenken vor der neuen Technik müssen ausgeräumt werden.
Die Bürger müssen abgeholt werden und kommen nur schwer von alleine in Gang. Je besser die regionale Internetversorgung ist, desto geringer ist der Schmerz, etwas an der Verbesserung der Situation zu tun. Ohne eine starke Bürgerinitiative mit ihrer intensiven Aufklärungsarbeit wird das Ziel nur sehr schwer zu erreichen sein.
Verschiedene Aktionen können hier das Mittel der Wahl sein, um noch zurückhaltende Bürger von der Notwendigkeit des Glasfaserausbaus zu überzeugen. Überzeugte Bürger werden dadurch im Gegenzug oftmals selbst zu Multiplikatoren für die Sache. Das ist die beste Werbung für euer Glasfaser-Projekt!
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