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Samstag, 04. Juni 2016: Ein Artikel im hiesigen Anzeigenblatt “Niederrhein Nachrichten” weckt mein Interesse. Überschrift – „Netz der Zukunft“ für fünf Kommunen im Südkreis Kleve – und “mein” Bürgermeister im Bildvordergrund des Fotos.

Was schreiben die da? Ein Glasfaseranschluss für jedermann, 100 MBit/s up- und down, ohne Anschlusskosten? Wahnsinn – den muss ich haben!
(http://www.nno.de/2016/06/netz-der-zukunft-fuer-fuenf-kommunen-im-suedkreis-kleve/)

 

40 % – kein Problem!

Und ich war überzeugt – die geforderte 40 % Teilnehmerquote ist kein Problem. Dieses Thema muss doch mindestens das halbe Dorf interessieren!

Wie oft habe ich schon Klagen über die schlechte Internetanbindung gehört, dass das Streaming nicht funktioniert, alles langsam ist, insbesondere wenn auch die Kids im Internet sind.

Und ich wohne noch im Ortskern, die Randgebiete sind noch deutlich schlechter dran. Mit 100 MBit/s per FTTH (Fibre to the Home = Glasfaser bis in Haus) sind alle diese Probleme Schnee von gestern.

Der Termin für die Auftaktveranstaltung stand schon fest – Dienstag, 14.06.2016 – 19 Uhr, sofort rot im Kalender eingetragen. Also gleich mal die Freunde per Facebook mobilisieren und ein Posting nach dem Motto “Da müssen wir hin – wer kommt mit?” rausgehauen.

Die Resonanz: 0 (NULL) Antworten! Was die Sache noch schlimmer macht:
Ich bezeichne meinen Freundeskreis größtenteils als “technikaffin” – und keinen interessiert es! Ich war enttäuscht!

 

Auftaktveranstaltung – die Deutsche Glasfaser informiert

Egal, also machte ich mich am 14.06.2016 pünktlich auf den Weg zum Veranstaltungsort und schaute mich um. Siehe da, einige “Tekkis” hatte ich eh schon auf meiner Liste, die waren auch wie zu erwarten vor Ort. Und auch ein paar andere bekannte Gesichter, mit denen ich im Vorfeld gerechnet hatte, waren anwesend.

Für mich überraschend waren auch verhältnismäßig viele “Ü50”-Mitbürger vor Ort, was allerdings bei der Altersstruktur unserer Gemeinde kein Wunder ist.

Ich las mir nochmals den Werbeflyer durch und auch beim erneuten Durchlesen konnte ich keinen wirklichen Haken erkennen. Da hatte ich schon ganz andere Verträge gesehen – mit deutlich mehr “Knebeln”.

Dann begann der Vortrag. Und für mich wurde es jede Minute immer deutlicher:

Ja, habe ich richtig verstanden. – Haken dran

OK, das habe ich auch so gelesen. – Haken dran

Yep – 40 % erreichen, dann geht es los. – Haken dran

 

Doch was war das? Kritische Stimmen?

Ein Loch ins Haus bohren geht gar nicht? Ja, natürlich, wie soll denn sonst das neue Glasfaserkabel in Haus kommen? Beamen?

5 EUR Aufpreis sind zu viel? HALLO?! Dafür bekommst Du feinste Technik und richtig Dampf auf die Leitung!

Die Telefonkosten sind zu hoch? Für ein paar EUR zusätzlich gibt’s eine Flatrate! Fertig. Nächstes Thema!

 

Nicht dass die Stimmung wirklich kippte, aber zwei Dinge waren mir sofort klar:

  1. Das wird kein Selbstläufer – um die 40 % zu erreichen bedarf es aktiver Unterstützung.
  2. Wenn wir es nicht jetzt mit der Deutschen Glasfaser schaffen, dann kommt auch die nächsten 10 Jahre niemand mehr vorbei. Warum auch? Unsere Gemeinde hätte eindrucksvoll bewiesen, dass sie kein Interesse an FTTH hat.

 

Das nehmen wir selbst in die Hand!

Die Idee zur Bürgerinitiative “Glasfaser für Kerken” war noch am selben Abend geboren. Das müssen wir Bürger selbst in die Hand nehmen! Was daraus entstehen würde, konnte ich zum damaligen Zeitpunkt aber noch nicht erahnen:

Es folgten 6 Monate sehr intensive Arbeit für die insgesamt 13 Mitglieder der Bürgerinitiative, ausführliche Gespräche mit vielen Bürgern, dutzende Posting, Moderation der Facebook-Gruppe, Bürgersprechstunden und mehrere Hundert WhatsApp-Nachrichten in der internen WhatsApp-Gruppe “Glasfaser für Kerken”.

Hier ein “Best-of” der Bürgerinitiative (BI) Glasfaser für Kerken in kompakter Form:

 

Juni 2016 – Unsere Bürgerinitiative wird gegründet!

Einen Tag nach der Infoveranstaltung war die Facebook-Gruppe „Glasfaser für Kerken“ bereits von einem späteren BI-Mitglied erstellt worden. Eine eigene Webpräsenz war unumgänglich, so dass ich die Domain www.glasfaser-kerken.de reservierte.

In der Facebook-Gruppe herrschte von Beginn an reges treiben und hitzige Diskussion rund um das Thema FTTH. Das Gründungsmeeting der Bürgerinitiative fand am 24.06. bei mir daheim statt. Zu dritt steckten wir den Rahmen ab – der Umfang der Aufgabe war ziemlich deutlich.

Wir drei waren alle vollzeitbeschäftigt, das würden wir allein nicht stemmen können. Also ging es zunächst darum weitere Mitglieder für die Bürgerinitiative zu gewinnen. Mittels Mundpropaganda und über Facebook suchten wir weitere Mitstreiter für dieses wichtige Thema. Und es zeigte Wirkung: Nur wenige Tage später saßen wir bereits mit nun insgesamt 6 Mitgliedern und den Ansprechpartnern der Deutschen Glasfaser gemeinsam am Tisch um die nächsten Schritte zu besprechen.

Ein BI-Mitglied ist zugleich Inhaber einer Webagentur und war so freundlich das Hosting und die Konzeption der Homepage zu übernehmen. (Fa. Ranketing).

Für die interne Kommunikation erschien uns ein E-Mailverteiler (info@…) und zusätzlich eine WhatsApp-Gruppe für rasche Kommunikation am sinnvollsten. Einen weiteren E-Mail-Verteiler haben wir für Rückfrage zu FAQ-Sektion eingerichtet (faq@…). Dort waren wir insgesamt drei technikaffine Mitglieder, welche speziell die technischen Fragen beantwortet haben.

Auch der erste Flyer der Bürgerinitiative zum Verteilen auf den anstehenden Infoveranstaltungen war zügig fertiggestellt.
(Entwurf 1. Flyer Bürgerinitiative fertigstellt.)

 

Juli 2016 – Wir sind online!Homepage Glasfaser für Kerken

Anfang Juli folgten zwei weitere Infoveranstaltungen der Deutschen Glasfaser in verschiedenen Ortsteilen unserer Gemeinde. Das Feedback war ganz ordentlich, die Veranstaltungen gut besucht – ein gutes Zeichen. Wir als Bürgerinitiative zeigten erstmals nach außen Flagge und verteilten am Ausgang unsere frisch gedruckten Flyer.

Die Webseite machte von der Konzeption her große Fortschritte, was noch fehlte, waren die Inhalte. Erste Artikel, Impressum, “Über uns” und eine FAQ wurde in mehreren Nachtschichten erarbeitet. Am 10.07. ging „www.glasfaser-kerken.de“ online.

Inzwischen hatten wir auch unserer Bürgersprechstunden etabliert. Im wöchentlichen Wechsel zwischen den Ortsteilen standen wir als Bürgerinitiative den Bürgern für Fragen zur Verfügung.

Viele Fragen zielten in Richtung Technik, so dass wir uns für eine Bürgersprechstunde Unterstützung durch einen Techniker der Deutschen Glasfaser holten. Ein wirklich spannender Abend für alle. Nahezu alle technischen Fragen konnten beantwortet werden.

 

August 2016 – Wir sind im Fernsehen!WDR Team Lokalzeit Duisburg vor Ort in Kerken

Zu Beginn des Monats organisierten wir einen Besuch von BI-Mitgliedern und interessierten Bürger bei der Deutschen Glasfaser in Heinsberg. Dort war auch die Möglichkeit gegeben mit einer Hardware die FTTH zu testen.
(BI zu Gast bei der Deutschen Glasfaser in Heinsberg)

Ein Highlight unseres Projektes war sicherlich die Berichterstattung über unsere Bürgerinitiative in der WDR Lokalzeit Duisburg. Für mich war es das erste Mal ein solches Kamerateam zu begleiten und ich war ziemlich überrascht, wie viele Vorarbeiten nötig sind um einen solchen Bericht zu drehen.

Zudem hatten wir einen der heißesten Tage des Sommer 2016 für diesen Termin erwischt. So durften wir bei gefühlten 40 °C für die Panoramaaufnahmen den Nieukerker Kirchturm besteigen.

Wobei wir als Bürgerinitiative noch den leichtesten Job hatten. Der Kamera- und der Ton-Mann durften zusätzlich noch ihr technisches Equipment hochtragen – sicherlich kein Vergnügen bei diesen Temperaturen.

Im Anschluss an die Dreharbeiten begleitete uns das Kamerateam noch zu unserer Bürgersprechstunde und führte ein paar Interviews mit den Bürgern durch.
(Dreharbeiten WDR Lokalzeit in Nieukerk und Aldekerk)

Ausgestrahlt wurde die Sendung dann Ende des Monats.
(https://youtu.be/z_xT6UhgF-s)

 

September 2016 – Das wird knapp!

Wir biegen auf die Zielgerade ein – die Frist der “Nachfragebündelung” endete am 26.09.2016 und es fehlten noch einige Prozente.

Gemeinsam mit der Deutschen Glasfaser planten wir als Bürgerinitiative einen separaten Infoabend nur für Gewerbetreibende in unserer Gemeinde. Die Resonanz war leider ernüchternd – nur wenige Gewerbetreibende sind überhaupt gekommen.

In den Niederrhein Nachrichten erschien unser zweiter Flyer “Warum” um die Zielgruppe außerhalb des Internets zu erreichen. Auf der Titelseite des Flyers vermieden wir alle Hinweise auf Glasfaser und brachten das Thema erst im Innenteil. Die ungewöhnliche Aufmachung zeigte Wirkung – der Flyer war Gesprächsthema im Dorf und in Facebook – Ziel erreicht.

Mitte des Monats folgte ein zusätzlicher Infoabend in Kerken mit Gastredner Dr. Jürgen Kaack von Breitband.NRW. Er referierte über die Vorteile der Technik und die Notwendigkeit des FTTH-Ausbaus. Auch hier war die Anzahl der Teilnehmer nicht zufriedenstellend – nur knapp 50 Personen hatten sich nochmals eingefunden. Die Luft war raus bei den Bürgern.

Die Bürgerinitiative setzte nochmals zum Endspurt an:

Eine Reihe von Videointerviews von Kerkener Bürgern zum Thema “Glasfaser” wurde gedreht und veröffentlicht. Und die Rheinische Post berichtete ebenfalls über unsere Aktivitäten als Bürgerinitiative.

Die Nachfragebündelung endete am 26.09.2016 mit dem Ergebnis: Aldekerk 34 % und Nieukerk 30 % – Ziel von 40 % leider nicht erreicht. 🙁

 

Oktober 2016 – Die Luft ist raus!

Die Deutsche Glasfaser hatte ein Einsehen und verlängerte die Nachfragebündelung um weitere 6 Woche zu gleichen Konditionen – das Ziel lautete weiterhin 40 %. Die Begeisterung bei unseren Frauen hielt sich in Grenzen: Nochmals richtig Gas geben für den Endspurt – Yiepi!

Aber im Oktober war schon ziemlich die Luft raus. Wer sich für das Thema interessiert, hatte auch schon längst unterschrieben. Im Internet bzw. auf Facebook war an Neukunden nichts mehr zu holen. Alle Onliner waren bereits dabei.

Von Woche zu Woche maximal ein Prozentpünktchen Zuwachs … oder auch gar nicht. Insgesamt gab es zwei Wochen mit “Nullwachstum”. Unser gemeinsamer Stand auf dem Nieukerker Oktoberfest zeigt mal wieder, wie zäh dieses Geschäft ist. Nur wenig Resonanz.

 

November 2016 – Endspurt!Verlauf Quote Nachfragebündelung Gemeinde Kerken

Alles lief wieder auf einen Endspurt auf den allerletzten Drücker hinaus. Am 05.11.2016 starteten wir unsere abschließende Flyer-Verteilaktion „Letzte Chance“ mit Verteilung durch die BI-Mitglieder.

Langsam ging es zwar auf die 40 %-Marke zu, aber erreicht war diese Marke immer noch nicht. Es lag zwar ein “Alternativszenario” in der Luft, im welchem “nicht rentable Straßenzüge” aus der Planung gestrichen würden, aber damit wollten wir uns nicht zufrieden geben. Wir haben nicht monatelang gekämpft um schlussendlich mit einem Kompromiss zu Enden!

Am 09.11.2016 der letzte offizielle “Glasfaser-Stammtisch”. Besuch von ein paar Nachzüglern, welche noch technische bzw. vertragliche Fragen hatten. Nun war wirklich die Luft raus, sowohl bei den Bürgern als auch bei uns in der Bürgerinitiative.

Ende der Verlängerung der Nachfragebündelung am 14.11.2016 – wir waren gespannt auf das offizielle “Endergebnis”:

Auf den Tag genau 5 Monate nach der Auftaktveranstaltung hatten wir es tatsächlich geschafft –  Aldekerk 42 % und Nieukerk 40 %.
Umgerechnet entspricht dies rund 2.175 Haushalten!

Das bedeutet FTTH-Ausbau in beiden Ortsteilen mit einem Großteil der Randgebiete!

 

Nebenschauplätze

Auch die Moderation der Facebook-Gruppe war nicht immer einfach und erforderte reichlich Fingerspitzengefühl. In der Hochphase hielt man uns gar für eine Art „Sekte“ – wir bezeichnen es hingegen als intensive Überzeugungsarbeit und Mundpropaganda. 🙂

 

Fazit

Ein Selbstläufer war das Thema Glasfaser mit Sicherheit nicht, was aber kein „Kerkener Problem“ ist. Auch wenn vielen „Tekkis und Nerds“ die Bedeutung der Technologie Glasfaser sofort klar war, war das Thema „Breitband“ bei vielen Mitbürgern nicht präsent – insbesondere in den relativ gut ausgebauten Ortskernen von Nieukerk und Aldekerk war der Schmerz einer schlechten Internetanbindung nicht übermäßig groß.

So hat nahezu das gesamte Neubaugebiet in Nieukerk VDSL 50 gebucht – nicht gerade einfach hier die Notwendigkeit von FTTH (Fiber to the home) zu vermitteln. Insbesondere da der Basistarif der Deutschen Glasfaser aus Sicht dieser Mitbürger mit 100 MBit/s „gerade mal die doppelte Geschwindigkeit“ bietet. Das sind zugegebenermaßen Luxusprobleme im Vergleich zu den Randgebieten unserer Gemeinde.

Neben ein paar negativen Randeffekten, z. B. fielen die kompletten Sommer- und Herbstferien in die Nachfragebündelung. Was rückblickend ein sehr positiver Umstand für unsere Arbeit war – es war Sommer.

Man sieht seine Freunde, Nachbarn und Bekannten einfach häufiger. Im lockeren Gespräch auf der Straße, am Gartenzaun oder im Biergarten macht es schlicht einfach mehr Spaß über das Thema zu diskutieren, als an einem zugigen Infostand im Herbst oder Winter.

Es war zwar viel Arbeit, aber es hat auch sehr viel Spaß gemacht. Nebenbei haben wir noch viele nette Mitbürger kennengelernt. Zudem konnten wir unsere Erfahrungen an die Bürgerinitiativen der umliegenden Gemeinden weitergeben bzw. austauschen, welche ebenfalls auf einem guten Weg sind, die notwendigen 40 % zu reichen. Einen besonderen Gruß daher an die Bürgerinitiativen in Uedem, Issum und Wachtendonk.

 

Wie sind deine Erfahrungen in deiner Gemeinde?
Stehen die Bürger dem Thema FTTH offen gegenüber oder sind sie eher distanziert?

Schildere kurz die Situation bei dir vor Ort in den Kommentaren.
Ich bin gespannt!