Eigentlich beginnt das Elend schon morgens um 6 Uhr – und das seit nunmehr 20 Jahren.

Frühstück vor der täglichen Fahrt nach Düsseldorf, kurz nach den Nachrichten im Radio. Alle bekannten Autobahnen in numerischer Reihenfolge: A40 Richtung Essen, A52 Richtung Düsseldorf und A57 Richtung Köln. Falls eine der drei nicht dabei ist – bloß nicht zu früh freuen. Vielleicht werden gerade nur die Staus ab 10 km gemeldet. Wenn’s schlecht läuft, ist die eigene Autobahn dann erst in 30 Minuten im Radio. Ätzend!

Zu Beginn meiner Pendlerkarriere war es gar nicht sooo schlimm. Oft wurde ich gefragt, wie viel Zeit ich denn für meine 50 km Strecke vom Niederrhein nach Düsseldorf brauche. Meine Standardantwort: jeweils ca. eine Stunde hin und zurück – im Sommer bisl’ schneller, im Winter etwas länger. Ich hatte meinen Frieden damit gemacht, außerdem fuhr ich (damals) auch noch gerne Auto. Ich konnte mich in der Zeit gedanklich prima auf die Arbeit vorbereiten.

Doch diese Rechnung geht schon länger nicht mehr auf. Eigentlich geht’s unter einer Stunde gar nicht mehr. Für Herbst und Winter plane ich pauschal 1,5 Stunden pro Strecke ein. Alle Routen vom Niederrhein Richtung Düsseldorf sind dicht. Schleichwege zu fahren oder wie in meinem Fall morgens durch Krefeld zu gurken bringen rein gar nichts. Außer der Illusion, dass man sich “bewegt” – schneller ist man nicht. Es dauert genauso lange. Und es wird immer schlimmer – nicht von Jahr zu Jahr, gefühlt von Quartal zu Quartal.

Über die Sinnhaftigkeit des Pendelns brauchen wir hier aber nicht zu diskutieren. Ich denke, die wenigsten Menschen sind überzeugte Pendler. Viele attraktive Arbeitsplätze befinden sich aktuell aber oftmals in den großen Städten.

 

Zeitfresser und Nervensägen

Pendeln ist ungesund, soviel ist klar. Je länger die Strecke ist, desto größer sind die Auswirkungen auf den Körper. Dazu wurden schon eine Vielzahl von Studien veröffentlicht. Unter den langen Fahrtzeiten leidet auch die Familie. Die Freizeit schrumpft und es bleibt weniger Zeit für Freunde und Hobbys. Die Phase der Regeneration wird kürzer.

Der November ist dabei der schlimmste Monat. Hier kommen mehrere Umstände zusammen. Zum einen sind in keinem Bundesland mehr Ferien, nur wenige Arbeitnehmer nehmen Urlaub. In der Folge sind deutlich mehr Fahrzeuge auf der Straße. Der Herbst kommt mit großen Schritten, das Wetter wird ungemütlicher. Die Witterungsbedingungen sorgen für nasse Straße und rutschige Blätter. Wenn im Dezember noch die ersten Schneeflocken fallen, ist es aus. Dann geht’s oftmals nur noch im Schritttempo zur Arbeit.

Es gibt viele Tipps, wie man die Situation des Pendelns besser annehmen soll. Hörbücher oder Podcasts können z. B. ein interessantes Mittel sein, um von der Fahrzeit abzulenken. Beispielsweise ein spannender Krimi oder ein thematisch interessanter Podcast. Wenn die morgendliche Fahrt aber mal wieder zur Stop-Go-Orgie wird, schlägt die Stimmung nach spätestens 1,5 Stunden in Frustration um, egal was auch immer aus den Lautsprechern kommt.

Die persönliche Entscheidung lokal(er) zu arbeiten ist sicherlich in der heutigen Zeit richtiger denn je. Seinen Körper mit 1,5 Tonnen Blech täglich von Ort A nach Ort B zu bewegen und dabei eimerweise fossile Rohstoffe zu verbrennen ist längst nicht mehr zeitgemäß. Allerdings kann noch lange nicht jeder Arbeitnehmer die Entscheidung aus freien Stücken treffen. Attraktive Arbeitsplätze “um die Ecke” sind rar gesät. Je spezialisierter das eigene Aufgabengebiet ist, desto schwieriger wird die Suche zusätzlich.

Insofern ist die Frage nach dem HomeOffice ein wichtiges Thema bei vielen Vorstellungsgesprächen und darf auch ruhig angebracht werden. Für viele Bewerber ist es ein wichtiger Teil des Gesamtpaketes. Und die gewonnene Freizeit wiegt oftmals mehr, als weitere 100 € brutto auszuverhandeln.

Allerdings sind viele Firmen noch nicht so weit und stehen dem Thema misstrauisch gegenüber. Mancherorts hat sogar schon eine Gegenbewegung eingesetzt. Einige große Firmen holen ihre Mitarbeiter wieder zurück ins Büro, darunter IBM, Yahoo und Microsoft. Der Teamgeist leidet, wenn sich zu viele Mitarbeiter allein zu Hause einigeln, denn viele Ideen werden auch in der Kaffeeküche geboren.

Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo zwischen den Extremen. Sinnvoll eingesetzt, von keiner Seite übertrieben und vertrauensvoll gelebt, ist das HomeOffice ein modernes Mittel um die Wünsche beider Seiten gut unter einen Hut zu bekommen.

 

Die Umwelt freut’s

Pendeln ist auch schlicht eine große Umweltbelastung. Unzählige Stau-Kilometer kommen so jährlich allein in Deutschland zusammen.

Ein Rechenbeispiel, für die Stadt München.

  • Täglich(!) pendelt 355.000 Menschen München einwärts.
  • Statistisch nutzen davon 70 % das Auto, macht 248.500 Personen – praktisch jeder sitzt allein im Auto.
  • Nehmen wir an, dass davon 10% Prozent regelmäßig im HomeOffice arbeiten könnten und sich diese idealtypisch über alle 5 Wochentage gleichmäßig verteilen. Das wären täglich 24.850 Fahrzeug weniger auf der Straße.
  • Der deutsche Durchschnittspendler benötigt täglich 17 km zur Arbeit – einfache Strecke. Macht 34 km Hin und Zurück. Insgesamt kommen so 844.900 km zusammen – pro Tag!
  • Der durchschnittliche Benzinverbrauch moderne Pkw liegt leider noch immer bei 7 l/100 km.

Das macht rund 59.000 Liter Benzin pro Tag weniger! Das sind rund 1,5 Tanklastzüge – für eine einzige Stadt!

Ein weiteres schönes Beispiel in diesem Kontext ist Tokios Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2020. Die Stadt hat bereits heute große Verkehrsprobleme. Täglich pendeln Millionen Menschen in die Hauptstadt. Aber wie soll das erst werden, wenn sich bei den olmpischen Spielen noch Millionen Besucher zusätzlich einreihen?

Tokio hat das HomeOffice als eine Möglichkeit entdeckt, das Pendleraufkommen zumindest temporär deutlich zu reduzieren. Letztes Jahr gab einen Testlauf an welchem sich viele Firmen beteiligten. (… weitere Details …)

 

Keine Bandbreite, kein HomeOffice

Aus technischer Sicht ist es kein Problem das Büro in seine Wohnung zu verlegen. Für verhältnismäßig wenig Geld kann der Arbeitgeber daheim einen nahezu identischen Arbeitsplatz wie im Büro einrichten. Die PCs sind schon seit vielen Jahren ausreichend leistungsstark.

Der größte Flaschenhals ist die Bandbreite für die Anbindung ans Firmennetzwerk über das Internet. Über die Jahre hat die Anforderung an die Bandbreite stetig zugenommen. Während es vor 15 Jahren durchaus möglich war, mit einem ISDN-Anschluss (64 Kbit/s bzw. 0,064 MBit/s) sinnvoll zu arbeiten, ist heute die notwendige Bandbreite deutlich höher. Zum einen wurden die modernen Anwendungen immer “datenhungriger”, aber auch klassische Anwendungen wie die E-Mail arbeiten mit immer größeren Datenmengen. Anhänge mit einer Größe jenseits von 100 MB sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Somit ist eine permanente und leistungsstarke Anbindung unabdingbar.

Viele Pendler bevorzugen das Modell “Wohnen im Grünen, arbeiten in der Stadt”. Dadurch wird das Problem noch weiter verschärft, denn insbesondere auf dem Land hinkt der Breitbandausbau deutlich hinterher. Früher galt für die Vermietung von Immobilien die goldene Regel “Lage, Lage und nochmals Lage”. Aus Gesprächen mit Vermietern wird klar, dass der Faktor “Lage” auf Platz 2 gerutscht ist. Die neue Regel lautet “Bandbreite, Bandbreite und nochmals Bandbreite”. Ohne einen halbwegs zeitgemäßen Internetanschluss ist eine Immobilie auch in guter Lage kaum noch zu vermieten.

 

HomeOffice als Auflage

Eine Idee könnte es sein, HomeOffice verpflichtend für Firmen einer bestimmten Größe vorzuschreiben. Sagen wir eine 10%-Quote für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern. Selbstverständlich müssen die Rahmenbedingungen passen. Beispielsweise können die Mitarbeiter aus der Produktion (noch) nicht im HomeOffice arbeiten. Viele Stellen in der Administration und Verwaltung können hingegen problemlos einen Teil der Aufgaben aus dem HomeOffice erledigen.

Die technische Umsetzung dieser Anforderung wäre eine sehr herausfordernde Aufgabe. Digitalisierung in einem einzelnen Unternehmen zu koordinieren ist schon schwierig. Dieses Thema müsste firmenübergreifend für eine ganze Region gelöst werden. Die HomeOffice-Tage müssen abgestimmt werden, denn alle Mitarbeiter montags oder freitags von zuhause arbeiten zu lassen macht keinen Sinn. Für eine bestmögliche Entlastung des Verkehrs wäre eine gleichmäßige Verteilung über alle Wochentage notwendig.

Noch viel wichtiger: Es braucht aber auch Mut seitens der Politik dieses Thema aktiv anzugehen und Verstöße entsprechend zu ahnden. Ansonsten würde auch hier wieder vieles schön geredet, ohne wirklich nachhaltige Erfolge einzufahren. Allein, dass die Idee auf Papier gut aussieht, reicht nicht.

 

Fazit

Das HomeOffice ist definitiv ein Baustein zur Entspannung der Verkehrssituation und somit aktiver Umweltschutz. Ein Problem ist die noch immer mangelnde Akzeptanz vieler Arbeitgeber. Leider ist der Trend zum HomeOffice sogar rückläufig. Einige Firmen, darunter Yahoo und IBM holen die Mitarbeiter zurück ins Büro.

Ein weiterer Aspekt ist die fehlende Bandbreite durch moderne Internetanschlüsse, speziell auf dem Land. Gerade hier wohnen viele Pendler, die aber in der Stadt arbeiten.

Dennoch ist das HomeOffice eine logische Konsequenz der Digitalisierung und gleichzeitig die Chance auch die Arbeitsweise in den Unternehmen zu überdenken.

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