Du möchtest Glasfaser bei dir im Ort – dann musst du die Sache selber in die Hand nehmen – so lautet das Fazit aus Teil 1 dieser Artikelreihe.
OK, von der Technik bis du komplett überzeugt – FTTH ist die Lösung der Wahl. Und dir fallen auch schon 1.000 gute Gründe ein, mit denen du deine Mitbürger begeistern kannst. Eventuell hast du auch mit ein paar Nachbarn über das Thema gesprochen und diese “angefixt”.
Sehr gut – aber das wird nicht reichen! Es praktisch unmöglich ein solches Projekt allein zum Erfolg zu führen. Die Aufgabe ist schlicht zu groß für eine einzelne Person.
Mit Rückblick auf meine eigene Bürgerinitiative “Glasfaser für Kerken” kann ich Dir sagen, dass …
- sehr viele einzelne Aufgaben zu erledigen sind – zu viele für einen einzelnen Akteur. Am besten lassen sich diese Aufgaben in der Gruppe aufteilen.
- eine Menge Zeit investiert werden muss. Und dies nach dem Job in der Freizeit und zusätzlich zu den bereits bestehenden privaten Verpflichtungen.
- man alleine irgendwann nicht mehr weiter kommt. Oftmals hat man schlicht ein Brett vor dem Kopf. Im Team fallen einem einfach mehr Lösungen ein, man(n) kann sich austauschen und querdenken.
- jedes Teammitglied seine individuellen Stärken hat. Was dir schwer fällt, geht jemand anderem leicht von der Hand. Warum die Aufgaben nicht entsprechend verteilen?
Aber irgendeiner muss die Sache die in Hand nehmen – denn sonst wird nichts passieren!
Warum nicht du?
Sehr gut! Also packen wir es an!
Der nächste wichtige Schritt für dich besteht darin, weitere Mitstreiter zu finden. Folgende herausragende Eigenschaften müssen alle neuen Mitglieder mitbringen:
Sie müssen für das Thema brennen, voll hinter der dem Projekt “Glasfaser” stehen und sich der Bedeutung dieser Technologie bewusst sein.
Welcher Personenkreis könnte dafür in Frage kommen?
- Freundeskreis: Natürlich gehst du erstmal in Gedanken deinen eigenen Freundeskreis durch. Wer würde ebenfalls von dem Projekt profitieren? Wer kennt sich gut mit der Technik aus? Und wer jammert oft über die schlappe Internetanbindung?
- Nachbarschaft: In der Regel hängen ganze Straßenzüge an der gleichen Verteilung. Damit teilt ihr nicht nur das gleiche Problem, sondern auch die Bandbreite. In deiner Nachbarschaft dürftest du demzufolge Leidensgenossen finden.
Ein weitere wichtiger Aspekt für diese Zielgruppe: Je mehr Menschen sich in Deiner Straße später für einen Glasfaseranschluss entscheiden, desto lukrativer wird deine Wohngegend für FTTH-Anbieter – zahlende Kunden sind ein großer Pluspunkt bei der Ausbauplanung. - Ehrenamt: Wer ist schon früher durch sein ehrenamtliches Engagement positiv aufgefallen? Wer setzt sich für deine Gemeinschaft am Ort ein?
- Prominenz: Wer ist bekannt wie ein bunter Hund? Wer tanzt auf jeder Hochzeit? Wen kennt das ganze Dorf? Keine Frage, die Kategorie von Mitbürger muss auf jeden Fall involviert werden.
Ich bin mir sicher – Du hast schon einen passenden Kandidaten vor Augen. Ein “Tekki” braucht er/sie nicht zwingend zu sein. Wichtig ist, dass auf seine Meinung Wert gelegt wird und man ihm zuhört.
- Kontakte: Wer hat gute Kontakt, z. B. zu ortsansässigen Firmen oder der lokalen Presse? Wer ist im Werbering (o. ä.) organisiert? Was ist mit dem Vorsitzenden des Sportvereins?
Eventuell hast du jetzt jemand vor deinem geistigen Auge, den du gleich ansprechen könntest. Mein Rat – tue es!
“Du bist …” – Facebook-Gruppen
Bei unserer Bürgerinitiative “Glasfaser für Kerken” war folgende Situation gegeben: Die Deutsche Glasfaser hatte im Vorfeld die Marketingmaschine angeworfen und bereits Flyer verteilt. Auftakt zum eigentlichen Projekt war der Informationsabend im örtlichen Gemeindesaal.
Für mich hatte ich am Ende der Infoveranstaltung bereits die Idee für die Bürgerinitiative “Glasfaser für Kerken” im Kopf. Dietmar, ein BI-Mitglied der ersten Stunde, hatte bereits am nächsten Tag die Facebook-Gruppe “Glasfaser für Kerken” ins Leben gerufen.
Zeitgleich war Dietmar auch Administrator zweier weiterer lokaler Facebook-Gruppen “Du bist …” und hatte alle Mitglieder dieser Gruppe in diese neue “Glasfaser”-Gruppe einladen. Die Resonanz war sehr positiv – innerhalb kürzester Zeit hatte die Gruppe über 1.000 Mitglieder. Die Mitgliederzahl hat sich langfristig bei gut 1.250 Mitgliedern eingependelt.
Facebook Gruppen sind ein guter Ausgangspunkt zur Suche nach passenden Mitgliedern für eine geplante Bürgerinitiative. Viele User von Facebook sind technikinteressiert und können in der Regel mit der Technik auch gut umgehen. Zugleich sind sie auch die passende Zielgruppe für einen Glasfaseranschluss.
Vermutlich gibt es für nahezu jede Gemeinde eine “Du bist …”-Facebook Gruppe. Einen Aufruf in solch einer Gruppe zu starten, ist sicher ein guter Ausgangspunkt, um mögliche Mitstreiter zu finden.
Und wenn du schon jemand gefunden hast, der voll hinter euerer Interessengemeinschaft steht, wird auch er sicher wieder jemanden kennen, der jemanden kennt.
Du weißt schon was ich meine 🙂
Spielregeln gelten für alle
Wenn ihr euch gefunden habt, solltet ihr euch im nächsten Schritt persönlich kennenlernen. Nehmt euch ausreichend Zeit und sorgt für eine gemütliche Umgebung. Ob privat daheim, in der Garage oder im Biergarten hängt von euch als Gruppe ab.
Bei diesem ersten Termin steht das persönliche Kennenlernen im Vordergrund. Wichtig ist, dass ihr erkennt, ob die Chemie in der Gruppe stimmt. Denn es liegt eine Menge Arbeit vor euch und ihr müsst alle an einem Strang ziehen – und zwar in die gleiche Richtung.
Zur Vorbereitung auf den Termin bietet es sich an, die anstehenden Aufgaben zu thematisieren. Jeder sollte sich vorab schon mal Gedanken machen, bei welcher Aufgabe oder welchem Themengebiet er sich besonders gut einbringen kann.
Die Aufgaben sind vielfältig und viele fleißige Hände sind gefragt:
- Technik einrichten und administrieren – Internetauftritt konzipieren, Facebook-Gruppe einrichten, Email-Verteiler, WhatsApp-Gruppe einrichten
- Blog Artikel schreiben (regelmäßig, so ein Artikel kommt nicht von allein und ist mit Arbeit und Recherche verbunden)
- Kommunikation mit den Anbietern
- Recherche für technische Anfragen von Bürgern
- Facebook Posting erstellen
- Moderation von Kommentaren in Facebook und der Webseite
- Kommunikation mit Presse und TV, Kontakt aufnehmen, pflegen und Presseartikel schreiben
- Redner bei Veranstaltungen – ihr müsst euch “verkaufen”
- Präsenz als “Bürgerinitiative” bei Veranstaltungen
- Flyer konzipieren und später verteilen
- Bürgersprechstunden
- Termine abstimmen (z. B. Lokalitäten für die Bürgersprechstunden)
- Veranstaltungen vorbereiten
- “Präsentation” der Bürgerinitiativen
- …
Manpower ist gefragt – aber natürlich auch Frauenpower!
Und wie viele Mitglieder braucht jetzt so eine Bürgerinitiative?
Klare Antwort: Kommt drauf an!
Die Erfahrung aus anderen Gemeinden zeigt, dass es mit weniger als 5 engagierten(!) Bürgern fast nicht möglich ist. Wie du oben sehen kannst, stehen in der Zeit sehr viele Aufgaben an. Und dann fällt plötzlich mal jemand aus, ist beruflich unterwegs, die Kinder sind krank oder etwas anderes geht schlicht vor.
Selbst wenn alle Mitglieder an einem Strang ziehen, beansprucht das ganze Thema sehr, sehr viel Zeit – und dies alles in der Freizeit.
Die genannten 5 Mitglieder sind aber nur ein Richtwert. Zwischen 5 und 10 halte ich für einen guten Wert, es kommt aber immer auf die lokalen Gegebenheiten an. Bei “Glasfaser für Kerken” sind wir insgesamt 13 Bürger die sich einbringen. Jeder mit unterschiedlichen Stärken.
Ein paar generelle Rahmenbedingungen
Unumstößliche Voraussetzung Nr. 1 – bindet Eure Familien in das Thema “Glasfaser” ein. Es steht verdammt viel Arbeit ins Haus. Für eine gewisse Zeit wird das Familienleben und damit die Familienaktivitäten unter dem Thema “Glasfaser” leiden. Bis irgendwann das “böse Wort” gar nicht mehr erwähnt werden darf. Bevor der Haussegen dann endgültig schief hängt oder die Post vom Scheidungsanwalt kommt, tretet lieber etwas kürzer.
Und nochmal – macht euch von Beginn an klar, dass es eine Menge Arbeit ist. Es stehen wirklich viele Aufgaben an. Bei uns startete die Bürgerinitiative Ende Juni 2016 und unseren Erfolg konnten wir erst Mitte Dezember 2016 feiern. Es ist kein Sprint – eher ein Marathon.
Haltet euch vor Augen, dass eure Bürgerinitiative eine bunte Mischung von Bürgern ist. Jeder mit individuellen Stärken (und Schwächen). Lernt euch kennen. Sprecht euch intern ab und verteilt die Aufgaben nach den persönlichen Stärken. Was dem Einen schwer fällt, ist für den Anderen eine leichte Übung.
Nutzt eure persönlichen Kontakte vor Ort. Sprecht mit vielen Bürgern über das Thema. Es gibt genügend Möglichkeiten. Ob in der Schule, im Fußballverein, in der Lokalpolitik oder in der Nachbarschaft. Sucht dabei Multiplikatoren die ebenfalls begeistert bei der Sache sind. Das Thema muss präsent sein – über die gesamte Zeit.
Schreibt euch das Thema “Glasfaser” auf die eigene Fahne. Sobald es darum geht, muss euer Name fallen. Den Bürgern muss bewusst sein, dass IHR die richtigen Ansprechpartner seid. Nehmt die Probleme und Fragen der Bürger auf. Klärt diese und gebt Antworten.
Gemeinsam sind wir stark! – In diesem Sinne vernetzt euch mit anderen Bürgerinitiativen. Idealerweise innerhalb eurer Region. Die Themen sind überall sehr ähnlich. Dieser Erfahrungsaustausch verhindert auch einen Scheuklappenblick. So kannst du sicherlich so manche Idee aus den Nachbargemeinden für das eigene Projekt übernehmen.
Tipp aus der Praxis – Eine Stimme nach außen
Wenn ihr euch gefunden und die grundlegenden Spielregeln festgelegt habt, ist schon der erste großer Schritt getan. Nun geht es darum, wie ihr als Gruppe wahrgenommen werdet.
In der Kommunikation nach außen solltet Ihr stets als geschlossene Gruppe auftreten und mit “einer Stimme” sprechen. Entsprechend professionell und authentisch werdet ihr dann auch wahrgenommen werden.
Die Erfahrung zeigt, dass es sich anbietet eine Art Vorstand oder einen Sprecher der Bürgerinitiative zu bestimmen. Vielleicht ist ein Mitglied in seinem Job Hauptberuf Unternehmenssprecher oder tritt regelmäßig vor größeren Gruppen auf. Ihm wird es sicherlich leichter fallen, auf einer Infoveranstaltung vor einer großen Menge zu sprechen, als jemand der darin ungeübt ist.
Zunächst ist eine Bürgerinitiative nur ein formloser Verbund von interessierten Privatpersonen. Dies bedeutet, dass es durchaus auch unterschiedliche Meinungen und Standpunkte geben darf. Beispielsweise posten die Mitglieder auch weiterhin als Privatpersonen bei Facebook und geben dort ihr eigene Meinung kund. Allerdings sollte beim Thema “Glasfaser” erkennbar sein, dass diese Person “pro Glasfaser” eingestellt ist bzw. die Position der Bürgerinitiative vertritt.
In der internen Kommunikation sollten alle Mitglieder möglichst zeitnah auf dem gleichen Informationsstand sein. Damit ist gewährleistet, dass z. B. bei Gesprächen mit den Bürgern alle über das Gleiche reden. Dies trägt auch dazu bei, dass die Gruppe ein geschlossenes Bild abgibt. So wirkt ihr deutlich professioneller, als wenn viele Einzelstimmen – eventuell mit unterschiedlicher Meinung – sprechen.
Welche technischen Möglichkeiten sich zur internen Kommunikation anbieten und mit welchen Hilfsmitteln ihr euch organisieren könnt, lest ihr in Teil 3 der Artikelserie.
Namensgebung
Ich verwende hier im FTTH.blog den Begriff der “Bürgerinitiativen” für diese Art von Zusammenschluss interessierter Bürger. Ob ihr euch nun “Bürgerinitiative”, “Interessengemeinschaft” oder “Bündnis für …” nennt, richtet sich nach dem persönlichen Geschmack und ist eine gemeinschaftliche Entscheidung aller Mitglieder.
Mir persönlich gefällt der Begriff “Bürgerinitiative” am besten. Nimmt man es wörtlich, zeigt sich die Kernaussage des Wortes sehr gut: “Bürger” zeigen “Initiative” – das heißt sie nehmen das Problem selbst in die Hand und handeln aktiv.
Mit dieser Argumentation stimmten auch wir dann gemeinsam für den Namen unserer eigenen Bürgerinitiative “Glasfaser für Kerken”.
Fazit
Bürgerinitiativen sind ein wichtiger Erfolgsfaktor für ein FTTH-Projekt. Nur gemeinsam lassen sich die vielen anstehenden Aufgaben umsetzen.
Suche gleichgesinnte Bürger in Deiner Region und schließt euch zu einer Bürgerinitiative zusammen. Findet euch und verteilt die Aufgaben untereinander. Nutzt dabei die individuellen Stärken jedes einzelnen Mitglieds.
Knüpft Kontakt zu den Schlüsselpersonen im Ort und sucht Multiplikatoren für das Thema. Diese Personen wiederum werden zu Sprechern für euer Projekt, z. B. in den verschiedenen Vereinen.
Redet mit einer Stimme und gebt ein geschlossenes Bild nach außen aus. Ein Sprecher oder ein “Vorstand” runden das Gesamtbild euer Bürgerinitiative ab.
Gemeinschaft ist ein gutes Stichwort.
FTTH.blog hat auch eine Facebook-Seite.
Dort kommentiere ich aktuelle Themen und Nachrichten rund um den FTTH-Ausbau
und berichte über die Highlights der verschiedenen Bürgerinitiativen.
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